Nachehelicher Unterhalt

Nach Rechtskraft der Ehescheidung gilt zwar grundsätzlich das Prinzip der Eigenverantwortlichkeit, also jeder Ehegatte hat selbst für seinen Unterhalt zu sorgen, was aber nicht bedeutet, dass es keinen Anspruch auf nachehelichen Unterhalt mehr gibt. Hierbei kommen unterschiedliche Unterhaltstatbestände in Betracht:

Betreuungsunterhalt

Ein solcher Unterhaltsanspruch kann dann bestehen, wenn der geschiedene Ehegatte aufgrund der Betreuung gemeinsamer minderjähriger Kinder teilweise oder vollständig daran gehindert ist, einer Beschäftigung nachzugehen und eigene Einkünfte zu erzielen. Ob dies der Fall ist, kommt auf den jeweiligen Einzelfall an und hat auch etwas mit dem Alter der Kinder und den zur Verfügung stehenden Betreuungsmöglichkeiten zu tun. Das früher geltende „Altersphasen-Modell“ gibt es seit der Unterhaltsrechtsreform zum 01.01.2008 nicht mehr. Grundsätzlich gilt, dass nur bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes eine Erwerbsverpflichtung des betreuenden Elternteils nicht besteht. Danach ist eine Erwerbstätigkeit dann geschuldet, wenn Betreuungsmöglichkeiten (Kindertagesstätte, Kindergarten, usw.) bestehen und in dem zeitlichen Umfang, wie dies die Betreuungsmöglichkeiten zulassen. Grundsätzlich besteht eine Verpflichtung solche Betreuungsangebote auch zu nutzen. Mit der Unterhaltsrechtsreform hat der Gesetzgeber den Vorrang der Eigenbetreuung gegenüber der Fremdbetreuung aufgegeben und den Vorrang der Fremdbetreuung vor der Eigenbetreuung eingeführt.
Ob und wie lange ein Ehegatte aufgrund der Betreuung gemeinsamer minderjähriger Kinder daran gehindert ist, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, muss seither für jeden Fall gesondert beurteilt werden. Der Gesetzgeber wünscht hier ausdrücklich eine Einzelfall-Entscheidung.

Aufstockungsunterhalt

Unter Aufstockungsunterhalt wird der Unterhalt verstanden, welcher sich aus der Einkommensdifferenz der beiden geschiedenen Ehegatten ergibt. Der Ehegatte mit dem geringeren Einkommen soll noch eine gewisse Übergangszeit an dem seither zur Verfügung stehenden Familieneinkommen (das gemeinsame Einkommen beider Ehegatten) partizipieren. Wie lange diese Übergangszeit bemessen wird, hängt wiederum vom Einzelfall ab. Hierbei ist auf die Dauer der Ehe sowie die Zeiten der Kinderbetreuung innerhalb der Ehe abzustellen. Im Bezirk des Oberlandesgerichts Stuttgart in der Regel ¼ – ⅓ der Ehezeitdauer.

Durch das Unterhaltsrechtsänderungsgesetz zum 01.01.2008 wurde im Unterhaltsrecht zwar die Eigenverantwortlichkeit des geschiedenen Ehegatten hervorgehoben und auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes hat in den letzten Jahren einer „Lebensstandard-Garantie“ eine klare Absage erteilt, dies ist aber nicht damit gleichzusetzen, dass es heute keinen nachehelichen Unterhalt mehr gibt.

Unterhaltsrechtlich ist nämlich zu berücksichtigen, ob einem der Ehegatten aufgrund der Ehe ein ehebedingter Nachteil in seiner Erwerbsbiographie entstanden ist und er dadurch dauerhaft in seinen Möglichkeiten eigene Einkünfte zu erzielen eingeschränkt ist.
Dieser ehebedingte Nachteil äußert sich in der Regel darin, dass der unterhaltsberechtigte Ehegatte nachehelich nicht die Einkünfte erzielt, die er ohne Ehe und Kinderbetreuung erzielen würde. Sollte dies der Fall sein, so kann es auch unter Berücksichtigung des „neuen Unterhaltsrecht“ Fälle geben, in welchen ein unbefristeter nachehelicher Unterhaltsanspruch besteht, welcher ggf. nur hinsichtlich seiner Höhe zu begrenzen ist.

Solche Nachteile können sich vor allem
o aus der Dauer der Pflege und
o Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes und
o aus der Gestaltung von Haushaltsführung oder
o Erwerbstätigkeit während der Ehe
ergeben.

Im Dezember 2012 erfolgte eine Korrektur des 2008 in Kraft getretenen „neuen“ Unterhaltsrechts, durch eine Gesetzesergänzung. Durch diese soll bei der Berechnung des nachehelichen Unterhalts durch das Familiengericht die Dauer der Ehe gleichwertig zu anderen ehebedingten Nachteilen berücksichtigt werden.
Dies führt dazu, dass es bei langen Ehen, unabhängig von dem Vorliegen von ehebedingten Nachteilen auch einen unbefristeten Unterhalt geben kann.
Wesentliche Aspekte hierbei sind
o neben der Dauer der Ehe
o insbesondere die in der Ehe gelebte Rollenverteilung
o wie auch die vom Unterhaltsberechtigten während der Ehe
erbrachte Lebensleistung.

Krankheitsunterhalt

Ein solcher Unterhaltsanspruch besteht dann, wenn der geschiedene Ehegatte krankheitsbedingt daran gehindert ist, einer eigenen Erwerbstätigkeit nachzugehen.

Altersunterhalt

Ein solcher Unterhaltsanspruch besteht, wenn von dem geschiedenen Ehegatten auf Grund seines Alters eine angemessene Erwerbstätigkeit nicht mehr erwartet werden kann.

Krankenvorsorgeunterhalt

Dieser betrifft die Krankenversicherungskosten, welche vom Unterhaltsberechtigten gezahlt werden müssen, wenn dieser nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist. Diese Kosten können zusätzlich zum Elementarunterhalt geltend gemacht werden.

Altersvorsorgeunterhalt

Dieser kann ebenfalls neben dem Elementarunterhalt geltend gemacht werden. Zweck des Altersvorsorgeunterhalts ist es, demjenigen, welcher aufgrund der im Gesetz genannten Gründen an der Ausübung einer Erwerbstätigkeit gehindert oder eingeschränkt ist und dadurch die durch den Versorgungsausgleich begründeten Anrechte nicht weiter ausbauen kann, die Möglichkeit zu geben, seine Alterssicherung durch freiwillige Leistungen sicherzustellen. Damit sollen spätere Lücken und Nachteile unterhaltsrechtlich ausgeglichen werden. Für die Zeit vor der Zustellung des Scheidungsantrages erfolgt der Ausgleich eines etwaigen Nachteils in der Regel im Rahmen des Versorgungsausgleiches (s.o.).
Der Altersvorsorgeunterhalt kann / muss ggf. bereits im Rahmen des Trennungsunterhalts, nach Zustellung des Scheidungsantrags (s.o.), geltend gemacht werden. Dies muss allerdings im Einzelfall mit dem jeweiligen Rechtsbeistand erörtert werden.

Ausführungen erfolgen ohne Gewähr

Alexander Nisi

Fachanwalt für Familienrecht
Fachanwalt für Erbrecht

Esslingen / November 2017


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